Wie die Angst eines Hundes vor Wasser Ihnen helfen kann, eine Sprache mit mehr Freude zu lernen.
„Ich sollte besser Englisch können als ich es tatsächlich kann“. Solche Aussagen höre ich oft von meinen Kunden. Sie erwarten von sich, dass sie auch ohne Übung Englisch sprechen sollten, weil es „normal“ ist, dass man Englisch kann. Dieser Frust begleitet sie ständig, wirkt sich oft negativ auf den Lernerfolg aus und führt manchmal zu einer Vermeidungsstrategie (z.B. „Ich habe keine Zeit“).
Ich möchte Ihnen eine Geschichte über meine verstorbene Hündin Biggi erzählen, in der diese Erwartungshaltung hinterfragt wird und eine sanfte Strategie der kleinen Erfolge eingesetzt wurde.
Sehen Sie diese Geschichte bitte als Metapher für Ihren eigenen Umgang mit Lernsituationen. Das „Herrchen“ in meiner Geschichte steht für die „Ich sollte..“-Stimme in Ihrem Kopf. Biggi verkörpert Ihr Unterbewusstsein!
Angst vorm Wasser
Jeder weiß, dass Hunde Wasser mögen, oder? Sie planschen selbstverständlich im Fluss; sie holen Stöcke aus dem Wasser; sie stillen ihren Durst im kühlen Nass. Nicht aber meine Hündin Biggi. Aus unerklärlichen Gründen (sie kam mit 2 Jahren aus dem Tierschutz, Vorgeschichte unbekannt) hatte sie panische Angst vor Wasser. Daran, dass sie bei unseren Spaziergängen an der Donau mal an das, geschweige denn in das Wasser ging, um zu trinken und sich abzukühlen, war gar nicht zu denken. Nicht mal an wirklich heißen Tagen. So hatte ich für sie immer eine Flasche Wasser und eine Schüssel dabei.
Eine Strategie muss her
Ich fand es schade, dass Biggi sich aus Angst um mögliche positive Erfahrungen brachte. Aber was hätte ich tun sollen? Sie einfach ins Wasser stellen sollen, um durch Schocktaktik die Angst zu überwinden? Diese sinnlose Idee hätte nie funktionieren können und wäre ein massiver Vertrauensbruch gewesen – nicht nur, weil Biggi sehr ängstlich war und viel Zeit brauchte, Vertrauen aufzubauen.
Die beste Lösung war es, die Sache langsam anzugehen. Ich suchte eine Wasserstelle aus, wo Biggi leicht zum Wasser gehen konnte (in diesem Fall die Anlegestelle der Sinzinger Fähre). Ich fing an, Leckerli auf den Boden der Rampe zu verteilen, die sie gierig einsammelte. Jeden Tag warf ich die Leckerli ein Stück näher zum Wasser. Ich versuchte aber nicht, sie dazu zu zwingen, die Leckerli einzusammeln. Dabei blieb ich still und entspannt, um sie nicht zu verängstigen.
Allmählich verringerte ich die Entfernung zum Wasser, bis die Leckerli schließlich am Wasserrand lagen. Es war ein besonderer Tag, als Biggi zum ersten Mal die Leckerli sehr vorsichtig vom Wasserrand holte.
Über die folgenden Wochen und Monate traute sie sich tiefer ins Wasser. Zuerst steckte sie ihre Nase rein. Dann berührten die Vorderpfoten den Wasserrand. Zuerst holte sie jedes Leckerli individuell aus dem Wasser. Dann schaffte sie es, ihren Kopf unter Wasser zu halten, um 3, 4 oder sogar 5 Stück auf einmal zu holen.
Sie begann, ganz selbstverständlich zum Wasser zu gehen, und manchmal trank sie vom Fluss, bevor sie anfing, nach Leckerli zu suchen. Mission accomplished (zumindest an dieser Stelle).
Die Erkenntnisse für das Lernen
Diese Geschichte verbirgt viele wertvolle Hinweise zum Thema „Lernerfolg“:
Fortschritte und Rückschläge
An manchen Tagen traute sich Biggi mehr zu, an anderen Tagen weniger. Manchmal wurden die Leckerli Wochen lang an der gleichen Stelle verteilt, bis Biggi bereit war, näher zum Wasser zu gehen. Es war sehr wichtig, die Übung sofort abzubrechen sobald sich die Angst „angekündigt“ hat. Oft beendete Biggi selber die Übung, indem sie einfach weitergelaufen ist.
Die Bedeutung für Sie: Stetigen Fortschritt gibt es nicht. Man muss eine Weile beim gleichen Niveau bleiben und darf nicht versuchen, zu früh weitere Erfolge zu erzielen. Nur noch Neues zu lernen ist anstrengend. Manchmal ist es auch wichtig, einen Schritt zurück zu treten, bevor Sie mit neuem Schwung nach vorne gehen. Auf jeden Fall sollten Sie auf Ihr Unterbewusstsein hören! Sie werden es merken, wenn Sie soweit sind.
Positive Verstärkung
Es war sehr wichtig, jeden noch so kleinen Schritt zu belohnen. Leckerli aus dem Wasser zu holen, gab Biggi das sofortige Feedback, dass ihr Verhalten richtig war. Dabei waren die Leckerlis meist sehr klein geschnitten. Egal! Sie holte sie (fast) alle! Und natürlich wurde sie von mir überschwänglich gelobt!
Die Bedeutung für Sie: Es ist uns allen sehr wichtig, dass wir regelmäßiges Feedback über unsere Anstrengungen erhalten. Oft bekommen wir kein bzw. zu wenig Feedback oder es dauert zu lange, bis das Feedback kommt. Entscheiden Sie für sich, was das Feedback sein sollte und wie regelmäßig es erfolgen sollte. Die beste Art von Feedback ist es, wenn Sie sich selber loben und mit Ihrer eigenen Leistung zufrieden sind.
Erstrebenswerte und übergeordnete Ziele
Die Suche nach dem Leckerli war für Biggi das übergeordnete Ziel: Biggi wollte das Leckerli haben, ich wollte, dass sie aus dem Fluss trinkt. Ohne Belohnung ging Biggi (fast) nie zum Wasser. So blöd war sie nicht! Ich hatte sehr viel Spaß an der Zusammenarbeit mit Biggi, und die Suchaktion wurde ein fester Bestandteil jedes Spaziergangs.
Die Bedeutung für Sie: Wir lernen Sprachen nicht nur, um sie zu sprechen („trinken“) sondern beispielsweise auch, um besser zu kommunizieren, Probleme zu lösen, Produkte besser zu verkaufen oder ins Gespräch mit Menschen aus anderen Ländern zu kommen („Leckerli“). Legen Sie ein Ziel bzw. Ziele fest, das/die Sie für Ihre Bemühungen, Englisch zu lernen, belohnen sollte(n). Ihr Unterbewusstsein erkennt sofort, wenn Ihre Ziele nicht erstrebenswert sind (siehe „Englisch mit Ihrem inneren Schweinehund“). Wenn die kritische Stimme und Ihr Unterbewusstsein damit anfangen, Spaß an der Zusammenarbeit zu haben, ist der Erfolg garantiert!
Biggi kam zu uns als ängstliches Nervenbündel, das keinen Grund hatte, Menschen zu vertrauen. Sie verließ diese Welt als selbstbewusste Hündin, und ich bin sehr glücklich, dass ich sie begleiten durfte, und bin dankbar dafür, dass sie mir so geschickt beigebracht hat, sie einfach so anzunehmen, wie sie war.