Ist es möglich, eine Präsentation in einer Fremdsprache zu halten, wenn man kein Wort der Sprache versteht? Eine inspirierende Geschichte …
Als BWL-Studentin war Andrea oft in finanzieller Not. Eines Tages bot ihr ein Uni-Kollege eine einmalige Gelegenheit an, Geld zu verdienen und reisen zu können: Sie soll auf eine Vortragsreise durch Italien gehen und in verschiedenen Städten eine Präsentation auf Italienisch zum Thema „Agrarpolitik in der EU“ halten.
Das einzige Problem: sie konnte fast kein Italienisch!
Sie liess sich aber nicht davor abschrecken. Das Honorar war zu verlockend und Ihr Geldnot zu hoch.
Sie setzte sich an die Arbeit. Die erste Aufgabe bestand darin, viele Informationen zum Thema in ganz Europa zu sammeln. Dann schrieb sie die Präsentation auf Deutsch. Anschließend wurde das Präsentationsskript von ihrem italienischen Kollegen übersetzt.
Die nächste Aufgabe war es, die Präsentation so zu lernen, bis Andrea sie überzeugend vortragen konnte. Ob sie auch die vielen fachspezifischen Fragen des Publikums beantworten konnte, war immer noch ungewiss …
Die Vortragsreise war ein Erfolg und anschließend bekam Andrea mehrere neue Aufträge vom Auftraggeber. Zudem war die Reise ausschlaggebend für den weiteren Verlauf ihrer Karriere.
Wie hat sie es geschafft?
Das erfahren Sie im Audio-Interview mit Andrea. Das Transkript finden Sie hier: Transkript Interview mit Andrea Scalerandi
Durch positive Erfahrungen sich selbst überzeugen
Für viele Menschen wäre es ein echtes Horrorszenario, eine Präsentation auf Englisch halten zu müssen. Aber wer solche Präsentationen bereits hinter sich hat, der verliert (oder zumindest relativiert) die Angst vor der Sprache.
Ein Kunde von mir war stets mit seinen Englischkenntnissen unzufrieden („Ich mache zu viele Fehler“, „Meine Grammatik ist schlecht“). Obwohl ich ihm versichert habe, dass er bereits Fortschritt gemacht hatte, konnte er den Fortschritt nicht feststellen.
Bis er eines Tages von seiner Firma nach Australien geschickt wurde, um bei verschiedenen Kunden die neue Technik seiner Firma vorzustellen. Jeden Tag, die gleiche Präsentation, zwei Wochen lang. Jeden Tag wurde seiner Präsentationsstil geschickter und die Begeisterung des Publikums lauter.
Zurück in Deutschland hat sich seine Einstellung zu Englisch derart verändert, dass er sogar zu einer anderen Abteilung wechselte, wo jeden Tag Englisch gesprochen wird.
Diese Erfahrung war für ihn seine „Reifeprüfung“, der überzeugende Beweis dafür, dass er mit Menschen erfolgreich auf Englisch kommunizieren konnte.
Der starke Wille
Was Andrea geleistet hat, hätte ich normalerweise für unmöglich gehalten. Andreas Geschichte zeigt, dass wir Trainer unsere Kunden oft zu sehr unterschätzen. Wir warnen sie davor, sich zu überschätzen. Wir legen Lernziele fest, die so ausgewählt werden, dass sie ohne Mühe für unsere Kunden erreichbar sind.
Das ist natürlich alles sehr verantwortungsbewusst und lobenswert. Aber wollen wir unsere Kunden „bemuttern“? Und was ist mit dem Willen des Menschen? Ich kenne viele Menschen, die Unglaubliches erreicht haben, entweder weil sie ihr Ziel unbedingt erreichen wollten oder sie hatten keine andere Wahl. Und zwar auch in vielen Fällen ohne die Unterstützung (oder vielleicht sollte das „die Einmischung“ heissen) eines Trainers.
Andreas Geschichte zeigt uns allen, dass wir zweimal nachdenken sollten, bevor wir ein Lernziel als zu schwierig einstufen. Es könnte doch möglich sein!
Was ist Ihre Meinung?