Warum eine Sprache lernen, wenn man sie eigentlich nicht braucht? Gibt es einen besseren Weg?
Neulich habe ich mit großem Interesse den Vortrag eines amerikanischen Motivations-Redners (Josh Kaufman) verfolgt, der behauptet, man kann in nur 20 Stunden gezielter Übung jede Fähigkeit „ziemlich gut“ erlernen.
Nachdem er seine Strategie vorgestellt hat, haben die Zuschauer Fragen gestellt. Eine Frau wollte wissen, ob man mit seiner Strategie auch Sprachen lernen kann. Sicher, sagte er, und dann sagte er etwas, dass mich wirklich interessierte: Er selber habe keine Sprache gelernt, weil das Lernen einer Sprache für ihn keinen praktischen Wert habe. Ihm gehe es darum, sich die Zeit zu nehmen, Fähigkeiten zu erlernen, die er entweder unbedingt haben will oder tatsächlich braucht. Weil er Fremdsprachen weder braucht noch lernen möchte, tue er das eben nich.
Er hat viel Kritik für diese Äußerung geerntet: Wie kann ein selbsternannter Lernexperte es nicht für nötig halten, Sprachen zu lernen? Aber vielleicht hat er Recht. Wieso sollte man eine Sprache eigentlich lernen, wenn man sie nicht braucht?
Nice-to-have aber nicht notwendig
In einem anderen Beitrag (Englisch mit Ihrem inneren Schweinehund) stelle ich die Hypothese vor, dass unsere Sprachkenntnisse mit hoher Wahrscheinlichkeit genau auf dem Niveau sind, das für uns tatsächlich notwendig ist. Wenn Sie alle zwei Monate eine E-Mail auf Englisch erhalten, die Sie nur zu Informationszwecken lesen müssen, warum sollten Sie an einem Englischkurs teilnehmen, in dem Ihnen das Sprechen beigebracht wird? Warum mehr lernen, wenn Ihre Englischkenntnisse gut genug sind, mit der Situation fertig zu werden?
Natürlich ist es empfehlenswert, sich heute mit dem Lernen von Englisch zu beschäftigen, weil man die Sprache später gebrauchen könnte. Aber es könnte auch sein, dass Sie niemals Englisch brauchen werden und die ganze Muhe wäre umsonst. Das Gleiche gilt übrigens für alle Sprachen! Wenn Sie für sich feststellen, dass das Lernen von Englisch keinen Sinn macht, dann gibt es viele andere Dinge im Leben, denen Sie Ihre Zeit widmen können.
Gezielt verbessern, was nötig ist
Mein Ansatz ist es, nur das zu lernen, was notwendig ist. Dann sollte man genau hinterfragen, was gebraucht wird, was man schon hat, und nur an den Aspekten zu arbeiten, die nützlich oder wünschenswert sind:
Was genau? In welchen Situationen brauchen Sie heute Englisch? Wann und worüber müssen Sie sprechen, schreiben, lesen, usw.? Um welche Themen und Situationen handelt es sich? Was müssen Sie nur verstehen können? Was müssen Sie aktiv sagen/schreiben? Welche typischen Ausdrücke brauchen Sie? Beispiel: Wenn Sie am Telefon Anrufe an Kollegen durchstellen müssen – und sonst nichts -, dann können Sie dafür sorgen, dass Sie genau diese Fähigkeit trainieren – und nur diese. Sie sagen nicht „Ich muss am Telefon Englisch sprechen können“, sondern „ich will in der Lage sein, nach den Namen, der Firma und dem Anlass des Anrufers zu fragen, um diese Person an den richtigen Mitarbeiter durchzustellen“. Sie geben Ihrem Lernverhalten einen spezifischen Rahmen und sorgen für einen Lernerfolg, nach dem Motto: Wie isst man einen Elefanten? In kleinen Stücken.
Was kann ich schon: IIn dem Beispiel mit dem Telefonieren fragen Sie sich, ob Sie die richtigen Ausdrücke schon können. (Beispiel: „May I take your name, please?“ oder „Who’s calling?“). Wenn nicht, dann wissen Sie, dass Sie diese Ausdrücke lernen sollten!
Was brauche ich noch und wo finde ich es: Die Lösung hier finden Sie beispielsweise in der Fülle von Materialien, die es zum Thema „Englisch am Telefon“ gibt. Egal ob in Buchform, über das Internet, auf CD/DVD, wenn sie einige Kurse analysieren, merken Sie schnell, dass die gleichen Ausdrücke und Themen immer wieder vorkommen. Sogar Struktur und Aufbau der Kurse ähneln sich stark. Wenn Sie 3 Kursbücher nehmen und sie miteinander vergleichen, finden Sie den gemeinsamen Nenner. Sie können dann Ihre Englischkenntnisse in Ihrer eigenen Geschwindigkeit verbessern.
Und das alles in weniger als 20 Stunden!