- Win-Win – wie Sie sich motivieren und die „Zeitfrage“ beantworten
„Wenn Du ein Schiff bauen willst, so trommle nicht Männer zusammen, um Holz zu beschaffen, Werkzeuge vorzubereiten, Aufgaben zu vergeben und die Arbeit einzuteilen, sondern lehre die Männer die Sehnsucht nach dem weiten endlosen Meer.“
Antoine de St. Exupery
Eine Sprache zu lernen ist eine Aufgabe, die viel Zeit erfordert und für viele Menschen als schwierig betrachtet wird.
Als Sprachtrainer habe ich von vielen erwachsenen Sprachlerner die folgenden Überzeugungen gehört:
- „Ich bin zu alt, eine Sprache zu lernen“ (d.h. nur Kinder können erfolgreich lernen; es gibt eine Altersgrenze beim Lernen)
- „Ich bin nicht sprachbegabt“ (d.h.: andere haben ein natürliches Talent. Mein Mißerfolg basiert darauf, dass ich nicht für’s Sprachenlernen geeignet bin)
- „Es ist schwierig, eine Sprache zu lernen“ (d.h.: es kann nur mühsam sein)
- „Ich habe keine Zeit, eine Sprache zu lernen“ (d.h.: es braucht sehr viel Extrazeit, die ich nicht habe).
- „Meine Sprachkenntnisse sind schlecht / ich bin zu schwach“ (d.h.: es gibt eine klare und objektive Grenze zwischen was ‚gute’ und ‚schlechte’ Sprachkenntnisse sind).
- „Ich mache zu viele Fehler“ (d.h.: meine Sprachkenntnisse sind objektiv ‚schlecht’)
- „Ich will diese Sprache perfekt sprechen können“ (d.h.: es gibt eine objektive Bemessung von ‚perfekt’; da ich nicht perfekt bin, sind meine Sprachkenntnisse wiederum als ‚schlecht’ zu betrachten).
Positive Absicht
Wenn man diese Aussagen anderen erlernten Fähigkeiten (z.B. Autofahren, Singen, Joggen, der Beruf, Eltern sein) gegenüber stellt, sieht man sofort, dass diese Überzeugungen unrealistisch, unhilfreich und unfair sind.
Keiner würde weder behaupten, es sei schwierig das Autofahren zu lernen oder, dass Kinder das Autofahren besser als Erwachsenen lernen könnten, oder, dass man keine Zeit habe, das Autofahren zu lernen oder, dass es Menschen gibt, die zum Autofahren geboren sind und andere, die nie gute Autofahrer werden würden oder, dass man zu viele Fehler beim Fahren macht und nicht perfekt sei…
Meiner Meinung nach werden die meisten Überzeugungen aus den folgenden Komponenten hervorgerufen, die von vielen Sprachlerner bestätigt worden waren:
Selbstschutz: „ich habe Angst, mich zu blamieren“
Wenn ich das Lernen einer Sprache als zu schwierig betrachte, dann erziele ich gleichzeitig eine Rechtfertigung meines „Mißerfolgs“ und gefährde damit nicht meine Existenz (z.B. die Gefahr, die eigene Arbeitstelle durch ‚mangelhafte’ Sprachkenntnisse zu verlieren) und verliere dabei mein Gesicht nicht (niemand will wie ein ‚Depp’ da stehen, außer Johnny Depp ;)).
Volksmeinung und ‚Behauptungen’
Viele dieser Überzeugungen werden einfach als Tatsachen akzeptiert. Wenn ich der einzige bin, der das Lernen einer Sprache als schwierig betrachte, dann stehe ich da allein. Wenn andere die gleichen Meinungen teilen, dann müssen sie ‚wahr’ sein.
Diese Behauptungen haben ungeheure Macht, weil sie von vielen Menschen nie in Frage gestellt werden und leider auch von Fachpersonen (d.h. Erzieher) toleriert oder sogar propagiert werden.
Leistungs- und ‚Noten-Angst’
Der Wert des Menschen (und das Selbstwertgefühl des Menschen) wird oft durch die Brille des ‚Erfolgs’ und der Handlungen der Menschen betrachtet. Ess wird oft dei Rede von Spitzenleistungserbringer und Versager. Wir versehen Leistungen mit Noten und ‚messen’ Erfolg, Qualität, Zufriedenheit, Reichtum, Schönheit, usw.
Es macht natürlich einen gewissen Sinn, Leistungen durch Werten zu beschreiben. Aber, als Kinder haben wir gelernt, dass Leistung mit Wert des Menschen vergleichbar ist, und am schlimmsten ist es, dass genau die Menschen, die für unsere Erziehung zuständig sind (Eltern und Lehrer) ohne auf die Konsequenzen darüber nachzudenken, solche Aussagen verwenden :
„Du bist ein braves Kind, weil du dein Zimmer aufgeräumt hast“.
„Ich bin stolz auf dich, weil du gute Noten in der Schule bekommen hast“
„Du bist ein schlechtes Kind, weil du mich nicht zuhörst“.
„Du bist ein faules Kind und aus dir wird nichts“.
Als Erwachsene tragen wir solche Aussagen in uns herum. In der Form von unbewußten Überzeugungen prägen solche Aussagen unterschiedlich unsere Sicht der Welt: Wenn wir Mißerfolg erfahren, beeinflussen solche Überzeugungen stark, wie wir mit der Situation umgehen.
Wer mit der ‚Noten-Mentalität’ (Spruch: „ich hatte eine Fünfer in der Schule“) mit dem Sprachenlernen anfängt, dem fällt es ‚schwer’ die Motivation auf die Dauer aufrecht zu erhalten, weil er davon ausgehen muss, dass er irgendwann versagen wird.
Warnung: die Noten-Angst kann nicht allein erklären, warum ein Mensch Probleme mit dem Lernen einer Sprache hat. Weit viele andere Faktoren spielen eine Rolle, die den Rahmen dieses Artikels sprengen würden, sie alle zu erklären. Letztendlich ist die Erklärung bei jedem Mensch anders.
Positive Überzeugungen
Umgekehrt gibt es Menschen, denen das Lernen einer Sprache ‚leicht’ fällt. Solche Menschen sagen, dass sie ‚mühelos’ lernen können, dass sie immer ‚gute Noten’ gehabt haben, dass es Spaß macht, dass sie zu ‚den Menschen gehören’, die ‚sprachbegabt’ sind.
Diese Überzeugungen sind genauso auf Fakt basiert wie die weniger positiven Überzeugungen – d.h. überhaupt nicht.
Aber, wenn Sie die Möglichkeit haben, die Richtung Ihrer Überzeugungen zu beeinflussen, welche Überzeugungen würden Sie lieber haben?
„Sie brauchen keine Angst zu haben – es tut nicht weh“
Wie oft haben Sie diese Aussage von einem Zahnarzt gehört?
Wenn ein ‚erfolgreicher’ Sprachlerner oder Sprachlehrer behauptet, der ‚unerfolgreicher’ Lerner braucht keine Angst vorm Sprechen zu haben, und bloß keine Angst vor Fehlern zu haben, weil sie zum Lernen gehören, dann ist der Lerner eine Weile auf der logischen Ebene beruhigt und sogar zugibt, dass es so stimmen muss: „Natürlich brauche ich keine Angst zu haben; jeder macht Fehler; Fehler sind Teil des Lernens; ohne Fehler zu machen, kann man nicht erfolgreich lernen“.
Aber sobald Sie in der Situation kommen, in der Sie Fehler machen, dann kommen die gleichen Gefühle und Verhaltensmuster wieder hoch (z.B. Panik, Angst, Wut, Frust, ein Gefühl der Überforderung, Resignation, Abschalten, Bockigkeit).
Mit der Zeit geben diese Gefühle nach, weil was vorher schwierig war, ist jetzt einfacher geworden und der Erfolg sichtbarer ist. Wenn Sie vorher 9 von 10 Fragen falsch beantwortet haben, dann war es furchtbar – dass Sie eine Frage richtig beantwortet haben, spielt dabei keine Rolle. Wenn Sie 9 von 10 Fragen richtig beantworten, dann können Sie mit der Situation – eine Frage falsch beantwortet zu haben – locker umgehen, sogar mit einem Lächeln, weil 9 von 10 ja sowieso eine ‚gute Leistung’ ist.
Aber wenn Sie wieder in der Situation kommen (z.B. auf einem wesentlich höheren Niveau), 9 von 10 falsch zu beantworten, dann spielen die gleichen Muster und Gefühle wieder ab. Sie haben Ihre Angst nicht ‚besiegt’ sondern nur die Angsteintrittsgrenze verschoben.
Und was kann man tun?
Jeder Mensch hat das Recht, für sich zu entscheiden, wie er mit dem Sprachenlernen umgeht. Meine Ideen sind nur da, um die Menschen zu ermutigen, das Lernen für sich zu gestalten. Hier einige Vorschläge:
Sie haben das Recht und die Möglichkeit, eine Sprache zu lernen
Jeder Mensch lernt so viel einer Sprache (auch die Muttersprache), die er tatsächlich braucht (und nicht was er meint, er brauche). z.B. Ihre Chinesischkenntnisse sind auf dem Niveau, das Sie tatsächlich tagtäglich brauchen. Wenn Sie kaum Gebrauch von Chinesisch haben, dann ist es nur eine Frage des Willens, ob Sie mehr lernen.
Mit Englisch wird man oft mit ‚Mängeln’ an Kenntnisse konfrontiert aber durch geschicktes Umgehen der Sprache kann man die ‚Mängeln’ ausgleichen (z.B. Vermeidungsstrategie). Wenn das Telefon nur einmal im Monat klingelt, dann brauche ich keinen jahrelangen Sprachkurs zu besuchen. Wenn ich glaube, ich werde zukünftig mehr Englisch brauchen (weil die Anzahl der Anrufe zunehmen), dann wirkt der Besuch beim Sprachkurs vorbeugend.
Trotzdem ist das Lernen einer Sprache kein ‚muss’ sondern etwas, das ich machen will. Ich mache regelmäßig Urlaub im Ausland, kann aber z.B. Kroatisch nicht sprechen – der Mangel an Kroatisch-Sprachkenntnisse hält mich nicht davon ab, das Land zu besuchen!
Seien Sie dankbar für Ihre Ängste!
Ihre Ängste sind ein Schutzmechanismus, ein Lebensretter! Sie werden dadurch vorsichtiger und überprüfen besser Gefahrsituationen. Sagen Sie ‚Dankeschön’ für die tolle Arbeit, die Ihre Ängste liefern aber sorgen Sie dafür, dass Ihre Ängste, Sie nicht davon abhalten, Ihre Ziele zu erreichen.
Wenn Sie Ziele setzen, bekommen Sie sofortiges Feedback von Ihren Ängsten, wie gefährlich diese Ziele für Sie sind.
Wenn Sie in der Situation kommen, wo Sie die Sprache sprechen müssen und keinen Ausweg finden können, stehen Ihre Ängste zur Seite. Nachher wissen Sie und Ihre Ängste, ob die vermeintlich so gefährliche Situation vorher richtig eingeschätzt wurde und die Angststrategie entsprechend angepaßt werden kann.
Wenn Sie eine Situation vermeiden könnten aber ein Teil von Ihnen diese Situation nicht umgehen will, besprechen Sie die Situation mit Ihrer Angst und machen Sie eine Abmachung – z.B. in einer von 5 ‚gefährlichen’ Situationen muss die Angst still halten. Als Gegenleistung wird die Situation nachher mit der Angst besprochen, um wiederum zu erfahren, ob die Situation doch nicht so gefährlich gewesen war.
Zeit – ein kostbarer Gut
Viele Sprachlerner behaupten, sie hätten keine Zeit, eine Sprache zu lernen. Gleichzeitig geben sie zu, dass sie ‚faul’ seien. Beide zusammen sind unschlagbare Gründe, eine Sprache nicht zu lernen: Der Mangel an Zeit ist ein externer Faktor (und dagegen kann der Lerner nichts tun) und die Faulheit ist ein innerer Faktor (das heißt, der Charakter des Menschen läßt das Lernen nicht zu).
Diese Gründe haben eher mit der Motivation und der inneren Überzeugung des Menschen zu tun.
Es ist völlig in Ordnung, eine Sprache nicht lernen zu wollen. In unserem Leben müssen wir Prioritäten setzen. Das Lernen einer Sprache muss seinen ‚Platz’ in unserem Leben finden.
Die angebliche ‚Faulheit’ ist oft eine Einstellung aus der Kindheit. ‚Faule’ Menschen tendieren dazu, nur so viel zu machen, wie sie tatsächlich machen wollen – und nicht mehr. Diese ist eher eine kluge Einstellung als Faulheit!
Zwei Möglichkeiten:
- Situationen finden, wo man die verfügbare Zeit optimaler nutzen kann
- Eine gezwungene Gewohnheit entwickeln oder finden, die den Lerner zwingt, die Sprache zu nutzen.
Win-Win-Situationen finden
Es gibt nur 168 Stunden in der Woche – wenn diese Stunden schon aufgebraucht sind, glaubt man, dass man ‚Einschnitte’ an Stellen machen muss, um Zeit für das Sprachenlernen zu finden. Ich nenne das die „Entweder-Oder-Mentalität“.
Besser ist es, Situationen zu finden, wo man mit Freude zwei Aktivitäten vereinen kann, die voneinander profitieren. Diese Win-Win –Situation ist eine Art von „Sowohl-als-auch“-Mentalität.
Beispiel: ich besuche mit den Kindern einmal die Woche das Schwimmbad. Dabei tue ich etwas für meine Gesundheit und verbringe mehr Qualitätszeit mit den Kindern. Wenn daraus eine Gewohnheit entsteht (d.h. wir gehen jede Woche ins Schwimmbad), fällt es mir leichter, Zeit dafür einzuplanen. Weil ich nicht dabei allein bin, ist die Wahrscheinlichkeit viel höher, dass ich diese Gewohnheit auf die Dauer aufrecht erhalte. Ich verstärke dabei auch die Beziehung zu den Kindern, baue Streß ab, und habe Abwechslung in meinem Leben. Ein mehrfacher Gewinn!
Das gleiche kann mit dem Sprachenlernen passieren:
Beispiele:
- Ich bin ein Nachrichten-Junkie – ich höre die Nachrichten auf Italienisch
- Ein Vater hilft seinem Sohn dabei, die Englisch-Hausaufgabe zu machen.
- Ein Hobby-Koch kauft ein Kochbuch in der französischen Sprache
- Ein Leseratte liest Krimis auf Englisch
- Ein Mitarbeiter wechselt in eine Abteilung, wo er Englisch reden muss – er verbessert seine Englischkenntnisse und wird als Mitarbeiter monatlich dafür gelohnt
- Ein Autofanatiker repariert ein Auto anhand der englischen Anleitung.
In allen Fällen sind die Sprachlerner selbstständig auf diesen Ideen gekommen. Wichtig dabei ist, dass die Freude an der Aufgabe ihnen geholfen hat, die schwierige anfängliche Gewöhnungszeit zu überwinden. Die Freude an der Aufgabe helft den Menschen, dem Sprachenlernen mehr Zeit zu widmen, ohne dass sie andere Tätigkeiten/Verpflichtungen einschränken müßten.
Ich wünsche Ihnen, viel Erfolg mit Ihrer ausgewählten Sprache!
Zitate:
„Ich habe keine besondere Begabung, sondern bin nur leidenschaftlich neugierig.“ Albert Einstein
„Es ist die wichtigste Kunst des Lehrers, die Freude am Schaffen und am Erkennen zu erwecken.“ Albert Einstein
„Man kann einen Menschen nichts lehren, man kann ihm nur helfen, es in sich selbst zu entdecken.“ Galileo